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Bittner-Orgel

Ein Denkmal fränkischer Orgelbaukunst

Jede Orgel ist ein Individuum. Dies zeigt sich dem Betrachter schon allein durch ihr optisches Erscheinungsbild: Es gibt im Bereich der Kirchen- und Konzertorgeln kein Instrument, dessen Prospekt, d.h. dessen äußere Gestaltung, mit einem anderen identisch wäre. Aber auch, was das Innenleben einer Orgel betrifft, also die Zusammenstellung ihrer Register (=Klangfarben) und die Art ihrer Mechanik, ist jedes Instrument ein Zeugnis nicht nur für die handwerkliche Fähigkeit ihres Erbauers, sondern auch für den Musikgeschmack und die technische Entwicklung ihrer Bauzeit. In dieser Hinsicht stellt die 1903 erbaute Orgel von St. Elisabeth, Nürnberg, einen seltenen Glücksfall dar, und zwar nicht allein dadurch, daß sie den Bombenhagel des 2. Weltkrieges unbeschadet überstanden hat, sondern auch, daß an ihr im Lauf ihrer nun über hundertjährigen Existenz keinerlei Umbauten entsprechend der jeweiligen "Modetrends" (und die gibt es im Orgelbau sehr wohl!) vorgenommen wurden. Sie ist ein Denkmal für den Orgelbau im fränkischen Raum, das Klangideal einer bestimmten Epoche und eine besondere Art der Orgeltechnik, was im folgenden etwas näher erläutert werden soll.

Fränkischer Orgelbau

Die Elisabeth-Orgel wurde von der Firma Bittner erbaut, einer der vielen kleineren Orgelbaubetriebe auf Familienbasis, die im Zuge des technischen und wirtschaftlichen Erfolgs der Orgelbaufirma von Eberhard Friedrich Walcker (1794-1872) im Lauf des 19. Jahrhunderts entstanden. Bittner hatte seinen Sitz zuerst in Nürnberg, dann in Eichstätt. Die von Eichstätt aus gebaute Elisabeth-Orgel ist also ein heimisches Produkt. Der fränkische Raum hat nur wenige namhafte Orgelbauer hervorgebracht, dies macht die erhaltenen Erzeugnisse umso wertvoller, zudem handelt es sich bei der Elisabeth-Orgel um das größte noch erhaltene Instrument dieser Orgelbaufirma. (Es lebt übrigens noch ein Nachfahre der Familie Bittner in Eichstätt, der den Firmennachlaß verwaltet.)

Klangideal einer bestimmten Epoche

Jede Epoche der Musikgeschichte hat gewisse Vorlieben für bestimmte Klangfarben. Die Orgel von St. Elisabeth steht ganz im Zeichen des romantischen Klangideals in Deutschland, wie es sich im Lauf des 19. Jahrhunderts entwickelt hat. Im Gegensatz zum barocken Klangideal, das den Bläserklang favorisiert, ist nun der orchestrale Streicherklang das Vorbild. Nicht mehr Brillanz und Schärfe, sondern eine warme Klangülle mit möglichst vielen Schattierungen wird angestrebt. Der geistige Zusammenbruch des 19. Jahrhunderts durch den 1. Weltkrieg zog radikale Veränderungen im Bereich der Musik nach sich. Die als objektiv empfundene Barockmusik wurde als Modell auf den Schild gehoben und die romantische "Gefühlsduselei" verpönt. Entsprechend wurden viele romantische Orgeln umgebaut und "barockisiert". Der Elisabeth-Orgel ist dieses Schicksal erspart geblieben. Sie ist nach wie vor eine authentische "Stilorgel", das heißt, für die Musik einer bestimmten Epoche - hier der deutschen Romantik (Felix Mendelssohn-Bartholdy, Robert Schumann, Johannes Brahms, Max Reger, Joseph Gabriel Rheinberger etc.) - konzipiert, und diese Musik kann auf ihr ideal dargestellt werden.

Besondere Art der Orgeltechnik

Die bereits genannte Orgelbaufirma Walcker entwickelte in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts eine neue Art der Orgeltechnik, die sogenannte pneumatische Traktur. Diese Art der Traktur (= Technik der Übertragung des Tastendruckes und des Registerzuges auf die Ventile der Pfeifen) war ein deutscher Sonderweg im Orgelbau, um die technischen Probleme der immer größer werdenden Orgeln zu lösen. Die herkömmliche mechanische Traktur war für den Spieler umso schwerer zu bedienen, je mehr Register er eingeschaltet hatte; die neue Technik nahm mit Hilfe von Luftdruck in biegsamen Bleiröhrchen dem Organisten den Kraftaufwand beim Öffnen von unter Umständen bis zu 100 Ventilen bei einem Tastendruck ab. Die pneumatische Traktur setzte sich in Deutschland um 1900 allgemein durch. Die Elisabeth-Orgel war also technisch auf dem neuesten Stand ihrer Zeit. Die Pneumatik erwies sich jedoch im Lauf der Zeit als nicht so robust wie eine rein mechanische Kraftübertragung und passte auch nicht mit dem später favorisierten Barockklang zusammen. Heutzutage wird diese Technik im Orgelneubau nicht mehr verwendet, das heißt die Elisabeth-Orgel ist ein historisches Dokument für eine bestimmte Phase in der Geschichte des deutschen Orgelbaus. Sie fällt damit, ebenso wie die Kirche, in der sie steht, unter die Zuständigkeit des Denkmalschutzes.

Unter Orgelkennern erfreut sich die Bittner-Orgel von St. Elisabeth bereits großer Symphatie, dem breiteren Publikum hingegen ist sie kaum vertraut. Es ist eine reizvolle Aufgabe für die nächsten Jahre, dieses in seiner Art einmalige Instrument in der Region aus seinem "Dornröschenschlaf" zu wecken, zumal die Romantik - und damit auch ihre Orgeln - derzeit eine allgemeine Rehabilitation erfährt. Die Substanz des Instruments ist gut, die handwerkliche Ausführung durch den Erbauer sehr solide und sorgfältig, dies haben namhafte Orgelbauer bereits bescheinigt. Nach einer gründlichen Reinigung des Innenlebens mit Erneuerung der Verschleißteile würde der Stadt, der Region und nicht zuletzt der Internationalen Orgelwoche ein historisch wertvolles und klangschönes Instrument zur Verfügung stehen.